Woche 1
Meine Ankunft in El Salvador am Samstag, den 28.8., lief reibungsloser als erwartet ab - im Zoll ließ man mich ohne große Fragen mitsamt meiner 120 Zahnbürsten und Zahnpastapackungen, Blutzuckermessgeräten und Medikamenten passieren, und auch die Fahrt vom Flughafen nach El Zapote verlief entspannt. In El Zapote angekommen wurde ich von Sonia und ihrer Familie, bei denen ich die nächsten fünf Wochen verbringen würde, sehr herzlich begrüßt und aufgenommen, und lernte beim Spaziergang durch den Ort auch direkt noch Senora Netti, eine der beiden Krankenschwestern der Unidad, kennen. Abends gab es Pupusas, für mich mit Moras gefüllt - es wurde davor zwar allgemein bedauert, dass ich keinen Käse esse, aber mir schmeckten die Pupusas auch so sehr gut.


Am nächsten Tag bekam ich ein Fahrrad, welches ich benutzen kann, und ich erkundete dann auch direkt in einer kleinen Tour durch El Zapote all die wichtigen Orte, inklusive der Unidad und der Schule. Den restlichen Tag verbrachte ich damit, nochmal die häufigsten medizinischen Begriffe und einige im Praxisalltag nützliche Phrasen im Spanischen nachzuschlagen.

Am Montag kam ich um 7:30 an der Unidad an, wo auch bereits einige Patienten warteten. Ich lernte Zuleyma, eine der beiden Promotores de Salud, und Lorena kennen; und auch den Doctor, mit dem ich am ersten Tag die Consultas machte. Es kamen einige Kinder zu Kontrolluntersuchungen, einige Erwachsene mit grippalen Symptomen, und auch einige gynäkologische Patientinnen. Es freuten sich alle sehr über die mitgebrachten Medikamente und die Blutzuckergeräte; vor allem das Metformin war eine große Erleichterung, da es wohl auch in der nächsten Zeit noch keine Aussicht auf Metformin für die Unidades de Salud in El Salvador gibt.
Am Dienstag ging ich mit dem Doctor und der Licenciada Cruz in die Schule, um die Kinder der 7. Klasse zu untersuchen. Es waren nur wenige Kinder, ca. 10 insgesamt, was aber natürlich auch an dem Wechselunterricht liegt, der Covid-bedingt immer noch stattfindet. Wir befragten sie zu ihren Lebensumständen, ihrem Umfeld, und besprachen z.B. die Menstruation, und andere altersentsprechende Veränderungen. Es war eigentlich alles unauffällig, bis auf einen 13-jährigen Jungen, den wir aufgrund seines starken Übergewichts und der beginnenden Anzeichen für Diabetes baten, am nächsten Tag in die Unidad zu kommen, um seinen Nüchtern-Blutzucker zu kontrollieren. Da ich geplant hatte, Sophies Kariesprojekt an der Schule weiterzuführen, sprach ich auch direkt noch mit der Direktorin, die sehr hilfsbereit war, und direkt Termine für die Unterrichtsstunden hierzu festlegte.
Die nächsten Tage verbrachte ich wieder in der Unidad, in der auch eigentlich alles sehr reibungslos ablief - bis auf den Mittwoch, an dem ein Kind notfallmäßig mit dem Doctor und der Licenciada ins Krankenhaus nach Sonsonate gebracht werden musste. Dies führte zu einem relativ stressigen Tag an der Unidad, da nun nur noch die Doctora, Zuleyma und ich da waren, und die Patienten alle auf einmal kamen - sodass ich dann zwischendurch die kleineren Behandlungen (Verbandswechsel etc.) alleine durchführen musste, bei denen mir aber zum Glück Zuleyma half. Bei der Blutzuckerkontrolle des 13-jährigen Jungen aus der Schule kamen leider, wie befürchtet, zu hohe Werte heraus, sodass wir ihn erst einmal für weitere Tests nach Cara Sucia überwiesen.


Alles in allem war meine erste Woche bereits sehr informativ und spannend; einige Probleme sind exakt die gleichen, wie man sie aus Deutschland kennt (Patient:innen, die sich nur an die Farbe ihrer Medikamente erinnern, aber nicht an den Namen - die Doctora überraschte sehr, dass dies ein universales Problem ist, und auch außerhalb von El Salvador vorkommt), andere Probleme sind mir so vorher noch nicht begegnet - beispielsweise kamen heute zwei hochschwangere Frauen in die Klinik, eine in ihrer neunten, die andere (mit 25 Jahren) in ihrer fünften Schwangerschaft, beides Risikoschwangerschaften, und leider beide sehr gefestigt in ihrem Wunsch, zuhause zu entbinden - was für viel Frustration bei der Doctora und der Licencada sorgte, die versuchten, beide Frauen wenigstens zu einem weiteren Ultraschall vor der Geburt zu überreden, zumal bei einer der beiden in ihrem letzten Ultraschall weiterhin eine Beckenendlage vorlag, und sie sich nun kurz vor dem errechneten Geburtstermin befand.
Die Atmosphäre an der Unidad in meiner ersten Woche war sehr freundlich, sowohl der Doctor als auch die Doctora bemühen sich sehr, dass ich viel lerne, und haben mir bereits viel erklärt, gezeigt, und mich auch schon einige Untersuchungen unter Anleitung durchführen lassen (z.B. Zervixabstriche). Mit Zuleyma habe ich auch gelernt, die Tupfer und Wundauflagen aus Gaze-Rollen herzustellen, was ich sehr interessant fand. Auch die anderen Mitarbeiter:innen der Unidad haben mich herzlich aufgenommen, Sra. Netti hat sogar das Rezept für ihre Tarta abgeändert, damit ich sie probieren konnte, und an einem weniger stressigen Nachmittag an der Unidad hat der Doctor mich auch bereits von dort kurz nach Barra de Santiago mitgenommen, um mir den Ort und den Strand zu zeigen.


Das Wochenende verbrachte ich mit Sonia und ihrer Familie. Da am Samstag Sonias Partner Geburtstag feierte, und Sonias Schwester samt Familie und zwei neuen Hunden aus San Salvador anreiste, wurden morgens zunächst Tamales vorbereitet, und im Anschluss ausgiebig mit den Hunden gespielt, geschwommen, gegessen, und wir unternahmen alle zusammen einen Ausflug nach Barra de Santiago. Abends aßen wir dann alle gemeinsam die Tamales, die wirklich sehr gut waren, und Geburtstagstorte, bevor Sonias Schwester wieder abreiste.

Woche 2
Die zweite Woche begann mit weniger guten Nachrichten – der Doctor wurde, aufgrund von Personalmangel in der Unidad in Cara Sucia, auf unbestimmte Zeit dorthin versetzt, und würde erstmal nicht mehr an der Unidad in El Zapote arbeiten. Ansonsten verlief der Tag wie gewohnt – es waren fast nur Kinder da, die zu Kontrolluntersuchungen kamen, daher durfte ich die meisten (unter Aufsicht der Doctora) untersuchen. Dies klappte - je nachdem, wie überzeugt das Kind war, dass ich insgeheim versuchen würde, es zu impfen - mal mehr und mal weniger gut, und mit mehr oder weniger Geschrei. Nachmittags bereitete ich meinen Vortrag für den nächsten Tag vor, da am Morgen bereits meine ersten beiden Besuche in der Schule anstanden.
Dienstags hatte ich meine erste Stunde um 9:20, daher ging ich davor noch in die Unidad, war bei den ersten Consultas dabei und half mit einigen Blutzuckerkontrollen, bevor ich mich dann samt Zahnputzutensilien in die Schule begab. Es war bereits alles vorbereitet, und die Kinder der zweiten, vierten und sechsten Klasse trudelten auch nach und nach ein. Zunächst verteilte ich die Zahnbürsten und Zahnpasta, die von der UFH besorgt worden waren, da beim letzten Mal aufgefallen war, dass eventuell nicht alle Kinder ihre eigenen Zahnputzsachen besitzen. Dann begannen wir mit einer Wiederholung zum Aufbau der Zähne, sowie der Entstehung von Karies, und der Rolle der Bakterien. Auch die möglichen Symptome von Karies, die auch in den normalen Kontrolluntersuchungen einiger Kinder bereits aufgefallen waren, sprachen wir kurz an. Dann sprachen wir über die Möglichkeiten, wie man Karies verhindern kann, mit einem kleinen Quiz zu Lebensmitteln und Getränken, bei dem die Kinder alle sehr motiviert mitmachten, sowie dem Aufruf, doch bitte etwas mehr Gemüse und Obst zu essen (der allerdings selbst von den erwachsenen Patienten in der Unidad leider häufig nicht ganz so ernst genommen wird). Schließlich kamen wir zum Abschluss, der Demonstration der richtigen Zahnputztechnik, wofür ich ein Zahnmodell mitgebracht hatte. Nachdem ich die Schritte vorgemacht hatte, während die Kinder ihre neuen Zahnbürsten benutzen konnten, um es selbst nachzumachen, verteilte ich auch noch die Zahnseide an alle Kinder – viele von ihnen wussten zwar, was Zahnseide ist; die Frage, ob sie sie denn auch benutzen würden, wurde aber sehr lautstark mit Nein beantwortet. Es machte ihnen sehr viel Spaß, die Zahnseide direkt auszuprobieren, und ich ging zum Abschluss noch mit dem Zahnputzmodell durch die Reihen, und ließ einige Kinder die erlernte Technik nochmal vormachen, bis es dann auch bei allen wirklich gut aussah. Die zweite Stunde, diesmal mit Kindergarten, erster und fünfter Klasse, lief eigentlich genauso ab, auch hier machten die Kinder wieder super mit, und freuten sich sehr über die mitgebrachten Zahnputzsachen.


Am Mittwoch war ich wieder in der Unidad; unser erster Patient war der 13-jährige Junge, der bei Verdacht auf Diabetes (Typ 2) für weitere Tests nach Cara Sucia geschickt worden war. Die Tests bestätigten leider den Verdacht. Die Doctora versuchte den Eltern die nächsten Schritte zu erklären, und vor allem die Wichtigkeit der Änderung des Lebensstils zu vermitteln. Die Eltern schienen dies nicht ganz so zu realisieren, ich denke, vielleicht wäre es auch gut gewesen, ihnen mehr Material, Links zu Websiten, Flyer o.ä. mitgeben zu können, da Diabetes von vielen Patienten hier als „nicht ganz so schlimm“, und definitiv nicht als Systemerkrankung, begriffen wird. Ich hatte auch überlegt, ob man vielleicht eine Unterrichtseinheit zu Diabetes in der Schule machen könnte, und sprach die Directora darauf an, die hierfür auch sehr offen war. Der restliche Tag verlief sehr ruhig, die meisten Patienten kamen für "Curaciones", also z.B. für Verbandswechsel. Abends gab es - passend zum Thema Ernährung - für mich eine weitere salvadorianische Spezialität zu probieren, Enchiladas - frittierte Tortilla, mit Frijoles, Avocado, Gemüse und Pommes beladen (traditionell gäbe es auch noch Eier und Käse dazu). Definitiv eins der leckersten Gerichte, die ich hier bisher probiert habe!

Am Donnerstag war, neben einigen Vorsorgeuntersuchungen bei Schwangeren, der interessanteste Fall wohl ein junger Erwachsener, der vor einem Monat einen Motorradunfall hatte, und zum Verbandswechsel kam. Die diversen Wunden, Nähte und der immer noch nicht versorgte letzte Knochenbruch waren sehr unschön anzusehen, auch da die Heilung außerordentlich schlecht voranging. Wie viele Jugendliche hier hatte er von Freunden gelernt, Motorrad zu fahren, und besitzt keinen Führerschein. In Anbetracht der Schwere des Unfalls und des Faktes, dass er, wie durchaus üblich, keinen Helm trug, hatte er sogar noch sehr viel Glück gehabt. Am Nachmittag bot mir Sonias Sohn passenderweise an, mir mit seinem eben gekauften Motorrad Fahrstunden zu geben, was ich dann aber mit diesen Bildern im Kopf doch lieber ablehnte.
Am Freitag kamen nicht viele Patienten in die Unidad, auch wegen der schweren Regenfälle der letzten Tage, wegen derer sich El Salvador aktuell in der Alarmstufe Orange befand. Daher ging ich stattdessen in das Centro de Nutrición, um hier beim Steichen der Innenräume zu helfen. Da ich nun die größte Person dort war, wurden mir alle höher gelegenen Bereiche der Wände zugeteilt. Wir sind auch sehr gut vorangekommen, sodass nun nur noch ein kleiner Bereich am Montag gestrichen werden muss. Nachmittags schlossen wir die Unidad früher, um zu einer Trauerfeier in Barra de Santiago zu gehen, da leider am Abend zuvor die Großmutter einer der Mitarbeiterinnen der Unidad verstorben war.


Der Ausflug, den ich für das Wochenende geplant hatte, fiel leider aus - stattdessen verbrachte ich das Wochenende am Strand, und holte ein bisschen Arbeit nach, was auch sehr gut war.

Woche 3
Meine dritte Woche begann mit einigen interessanten Fällen - die eigentlichen Diagnosen waren zwar aus medizinischer Sicht nicht ungewöhnlich, die vorhergegangene Diagnostik aber: eine junge Frau kam beispielsweise mit Befunden aus einer neuen Klinik in Cara Sucia, die das gesamte Spektrum der Inneren Medizin abzudecken schienen: die Befunde reichten von >Triglyceride „positiv“< über >Hepatitis „positiv“< bis hin zu >Anämie „positiv“<, jedoch ohne jegliche Werte, oder weiterführende Informationen, und schlussendlich mit der Erklärung, dass die zugrundeliegende Ursache für diese vielen „positiven“ Werte ein Mangel an Vitamin B12, Vitamin D und Vitamin B6 sei. Natürlich verkaufte die Klinik ihr diese Vitamine praktischerweise auch direkt. Auf Nachfrage nach dem diagnostischen Verfahren erklärte die Patientin, ihr sei kein Blut abgenommen worden, sondern ein neuer Apparat auf die Brust aufgelegt worden, der alle diese Dinge messen könnte. Die Doctora erklärte der beunruhigten Patientin natürlich, dass diese Klinik keine tatsächliche Klinik, sondern ein betrügerisches Geschäftsmodell ist; erzählte mir aber später, dass viele Patient:innen diesen falschen Befunden leider mehr Glauben schenken als dem medizinischen Personal der Unidad.
Nachmittags gab es zwar keine Consultas, dafür kam eine Politikerin vorbei, die Wahlwerbung machen wollte. Sie schaute sich am Centro de Nutrición um, und machte einige Bilder von den Türen, die unten morsch sind – die Hoffnung ist, dass sie die Türen ersetzen lässt, da die Regionalpolitiker:innen so versuchen, sich Unterstützung zu sichern. Für das Centro wäre das natürlich sehr gut, denn trotz des neuen Anstrichs gibt es dort immer noch einige Projekte; neben den Türen sind z.B. auch die Deckenplatten verfärbt und scheinen stellenweise zu schimmeln.
Nach der Arbeit ging ich mit Sonia zum Stand von Zuleyma’s Mutter, die vor ihrem Haus verschiedene Dinge kocht, und frittiert: Es gab Pasteles, und Buñuelos, also frittierte Teigbällchen aus Yuca, die absolut köstlich schmecken, und wir saßen ein wenig am Stand und unterhielten uns mit Zuleyma und ihren Nichten – ein sehr netter Nachmittag.


Am nächsten Tag war die Doctora nicht vor Ort, da sie in Ahuachapán arbeiten musste; stattdessen kam die Ärztin aus Garita Palmera. Wir hatten zwar nicht viele Patient:innen, aber die Doctora nahm sich sehr viel Zeit für alle, und erklärte und untersuchte sehr gründlich, sodass wir dann doch den gesamten Tag ohne Pausen arbeiteten. Kurz vor der Mittagspause kam eine Patientin, die bereits für viel Aufregung in der Unidad gesorgt hatte: eine der Patientinnen, die sich weigerten, im Krankenhaus zu entbinden. Sie hatte am Samstag Abend, zwei Wochen vor errechnetem Geburtstermin, ihr neuntes Kind zu Hause entbunden. Drei Tage später brachte sie das Kind dann zur ersten Kontrolle in die Unidad – neben dem niedrigen Gewicht von 2,3kg wirkte das Mädchen sehr dehydriert, und die Licenciada konnte kaum Blut für die nötigen Tests gewinnen. Durch die lange Verzögerung zwischen Geburt und Erstuntersuchung konnte die Vitamin-K-Prophylaxe nicht mehr gegeben werden, und auch die BCG- und Hepatits B-Impfungen, die direkt nach der Geburt erfolgen sollen, konnten nicht gegeben werden, da das Gewicht zu niedrig war. Die Nabelschnur war, da die zu Hause verwendete Schere und Schnur nicht steril waren, entzündet, und die Doctora verbrachte sicherlich eine Stunde damit, auf die Eltern einzureden, und ihnen zu erklären, welche Maßnahmen nun wichtig sind. Bei der Mutter stellten wir in mehreren Messungen einen zu hohen Blutdruck fest, aber eine weitere Abklärung wollte sie nicht. Die Licencada und die Doctora versuchten ihr außerdem einen schnellen Beginn mit Kontrazeptiva ans Herz zu legen, da sie nun mit 40 bereits neunfache Mutter war, und es einfach gefährlich wäre, nochmal schwanger zu werden, aber auch davon ließ sie sich nicht überzeugen. Sie versprachen, das Kind am Donnerstag nochmals zur Kontrolle zu bringen, nahmen diesen Termin jedoch nicht wahr. Alles in allem ein sehr frustrierender Fall, vor allem für die Licenciada und die Doctora, die sich wirklich viel Mühe gaben, aber nicht zu der Mutter durchdringen konnten - die trotz ihrer 40 Jahre wesentlich jünger und unerfahrener wirkte, und sich in den Konversationen kaum beteiligte.
Der Mittwoch, der 15. September, war der Nationalfeiertag in El Salvador, weshalb die Unidad geschlossen blieb. Normalerweise gibt es Paraden, und Auftritte der Schulen, aber aufgrund der Pandemie fielen diese in diesem Jahr aus. Ich verbrachte den Tag am Strand, da es seit einigen Tagen wieder etwas wärmer ist, und es dort daher wesentlich angenehmer war. Ich bereitete dort den nächsten Schulbesuch vor – die längere Pause war der dem Nationalfeiertag vorausgehenden „Semana Cívica“ geschuldet, im Rahmen derer es an der Schule viele Projekte zu El Salvador, der Kultur des Landes, und der Geschichte der Unabhängigkeit gab.

Am Donnerstag kamen nur einige Patient:innen zu Kontrollen, und später ging ich in die Schule. Dieses Mal waren die Klassen 7-9 dran, die durchaus etwas schwieriger zu begeistern waren als die jüngeren Klassen. Aber trotz der – im Vergleich zu den jüngeren Kindern – nicht ganz so enthusiastischen Mitarbeit war die Stunde gut, und auch das Quiz und die anschließenden Demonstrationen liefen sehr gut.

Am Freitag kamen wieder viele Kinder zu Kontrolluntersuchungen vorbei, was immer ein netter Start in den Tag ist. Diesmal arbeitete ich nur den halben Tag, da ich den letzten Bus nach Cara Sucia nehmen musste, um von dort aus nach Sonsonate und San Salvador weiterzureisen, wo ich das Wochenende verbringen wollte. Die Busfahrt verlief sehr unkompliziert, aber ich kam dennoch erst recht spät in San Salvador an. Am nächsten Tag traf ich mich zum Frühstücken mit Alejandro, dem früheren Arzt der Unidad in El Zapote, der sein Año Social dort verbracht hatte. Wir fuhren zu einem höher gelegenen Restaurant, von dem aus man einen schönen Blick auf San Salvador und die Berge hatte; und danach gingen wir gemeinsam ins Anthropologische Museum, in dem die Geschichte El Salvadors erklärt wurde – die erste Bevölkerung der Amerikas vor 20.000 Jahren, die Entwicklungen der indigenen Kulturen, die Ankunft der Spanier, der Sklavenhandel, die landwirtschaftliche Entwicklung, alles bis hin zur jetzigen Geschichte der Emigration vieler Salvadorenos in die USA und dessen Auswirkungen. Das restliche Wochenende verbrachte ich damit, San Salvador zu erkunden, und einige Dinge zu kaufen, die mir in El Zapote doch etwas gefehlt haben – hauptsächlich dunkle Schokolade. Ein sehr schöner Ausflug, und vor allem freute mich, dass ich die Chance hatte, Alejandro auch noch kennenzulernen.

Woche 4
Die nächste Woche begann eher ruhig - am Montag gab es nur wenige Consultas, hauptsächlich ging es um das Verschreiben von Medikamenten, oder Kontrolluntersuchungen bei Kindern. Ich hatte mit der in San Salvador gefundenen Schokolade Kekse gebacken, und nahm diese in die Unidad mit - was sich auch sehr gut traf, da sich herausstellte, dass die Doctora am Tag zuvor Geburtstag gehabt hatte. Zudem wurde die Unidad zur Baustelle, da ein neuer Mast installiert wurde, mit dem es dann wohl WLAN an der Unidad geben wird - zunächst mussten dafür aber, da der Laster nicht durch das Tor passte, Teile des Zauns abgerissen werden, sodass die nächsten Tage viel gebaut, abgerissen, geschweißt, und wieder neu errichtet wurde.

Am Dienstag stand mein letzter Schulbesuch an, diesmal mit der Oberstufe. Trotz meiner Befürchtungen, dass die älteren Schüler:innen vielleicht nicht ganz so viel Spaß an einem Karies-Vortrag haben würden, wie die jüngeren Kinder, war es tatsächlich eine sehr gute Stunde. Ich konnte etwas ausführlicher erklären, mehr ins Detail gehen, und sie machten auch bei den Fragerunden und Übungen sehr gut mit. Die Zahnputzutensilien haben zum Glück auch gereicht, die wenigen restlichen werde ich verteilen, wenn am 29. September der Zahnarzt aus Barra de Santiago in die Unidad kommt. Alles in allem haben mir die Vorträge an der Schule wirklich extrem viel Spaß gemacht, und es war eine schöne Abwechslung zum Alltag in der Unidad, da es ja in meiner Zeit keine Impfkampagnen, Schulbesuche, Treffen mit der Chronikergruppe oder ähnliches gab. Die Directora der Schule ist auch sehr offen für jegliche Ideen zu Vorträgen und Themen-Tagen für die Kinder, und ich denke, es gibt auch noch ganz viele Themen, die vielleicht einen Vortrag wert wären - Diabetes und Ernährung, Verhütung und Schutz vor sexuell übertragbareren Erkrankungen, all diese Themen könnten, zumindest den Fällen in der Unidad nach zu urteilen, noch ausführlicher besprochen werden.
Am Mittwoch half ich der Doctora zwischen den Consultas mit den Medikamentenbestellungen für die nächsten Monate, und dem Inventar der vorhandenen Medikamente. Nachdem dann auch die letzten Patient:innen behandelt waren, und die Bestellung fertig war, gab es noch einen von der Licenciada und Zuleyma anlässlich des Geburtstags der Doctora besorgten Kuchen.

Am Donnerstag und Freitag verlief alles wieder eher ruhig, es kam eine Patientin, die von ihrem eigenen Hund gebissen worden war, aber da die Promotores de Salud erst kürzlich die gesamten Tiere im Ort gegen Tollwut geimpft hatten, waren sie nicht ganz so beunruhigt. Außerdem kamen wieder einige Kinder mit Ohrenentzündungen, und leider auch ein Patient, dessen gesamte Familie an Covid erkrankt zu sein schein - es hatte sich zwar aktuell niemand testen lassen, aber die Anamnese war doch sehr verdächtig, zumal auch kurz zuvor ein Familienmitglied definitiv an Covid verstorben ist. Generell gibt es inzwischen doch vereinzelte Fälle von Covid; es ist aber (in El Zapote) immer noch eher selten, zumal auch die Impfungen hier gut vorangehen, und inzwischen bereits die über 6-jährigen geimpft werden.
Am Wochenende unternahm ich einen Ausflug nach El Tunco, einem sehr schönen, kleinen, etwas touristischeren Ort an der Küste. Da El Salvador den Ruf als eines der besten Länder Lateinamerikas zum Surfen hat, wollte ich mich davon vor meiner Abreise noch selbst überzeugen, und nahm am Samstag Surfunterricht - was ein sehr gutes Erlebnis war; das Surfen machte extrem viel Spaß. Generell war die Anreise aus El Zapote zwar etwas mühsam, da - soweit ich das erkennen konnte - der Bus von Sonsonate nur genau zweimal am Tag nach La Libertad fährt, aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt!


Woche 5
Meine letzte Woche in El Salvador begann mit einer erfreulichen Nachricht: Zuleyma hatte es kurzfristig doch noch geschafft, ein Treffen der “Chronikergruppe” ihres Bereiches zu organisieren - also der Patient:innen mit Diabetes, Bluthochdruck, etc. . Wir fuhren daher nachmittags auf ihrem Motorrad ein wenig aus El Zapote raus - das Treffen fand im Garten einer Patientin statt, es kamen circa 6 Frauen aus der Nachbarschaft, die kurzfristig Zeit hatten (normalerweise gibt es wohl mehr Patient:innen). Zunächst sprach Zuleyma mit ihnen über ihr allgemeines Befinden, ihre Medikamente, etc., und die Wichtigkeit regelmäßiger Bewegung bei Diabetes (5 von 6 Frauen hatten Diabetes). Ich kündigte auch schon einmal die Sportgruppe an, die Hannah, die als nächstes nach El Zapote gehen wird, dann hoffentlich ins Leben rufen kann. Diese Idee wurde allgemein sehr begrüßt, und einige der Frauen demonstrierten mir direkt die Dehnübungen, die sie vor einigen Jahren in einem ähnlichen Projekt gelernt hatten. Die Gespräche mit den Patientinnen waren sehr interessant; eine Patientin beispielsweise erzählte, nach regelmäßigen BZ-Werten von 500-600 unter Behandlung mit Insulin habe sie dieses komplett abgesetzt, stattdessen trinke sie inzwischen täglich Tee aus den Blättern einer einheimischen Pflanze, die ihre Tochter extra für ihre Behandlung anbaut, und habe es hierdurch geschafft, ihre Werte auf ca. 125-140 zu reduzieren. Sie zeigten mir auch die Pflanze, und erklärten mir und den anderen Frauen die Zubereitung des Tees. Dies ist aber doch eher die Ausnahme - die anderen Patientinnen nahmen weiterhin ihre „normalen“ Medikamente. Aber auch das gestaltet sich leider manchmal schwierig, denn viele können ihre Blutzuckerwerte nicht überprüfen, da selbst einige der Patientinnen mit langjährigem Diabetes keine eigenen Messgeräte hatten. Wir sprachen im Anschluss noch eine Weile über die beste Ernährung bei Diabetes, und die Frauen tauschten sich auch untereinander über ihre verschiedenen Tipps und Tricks aus, z.B. dazu, wie man es schaffen kann, weniger Tortillas zu seinen Mahlzeiten zu essen. Ich fand es toll zu sehen, wie sich alle gegenseitig unterstützen und motivieren wollten, z.B. zu gemeinsamen Spaziergängen, und nach zwei sehr interessanten Stunden fuhren wir wieder zurück an die Unidad.


Am Dienstag war die Doctora nicht vor Ort, daher führte die Licenciada die Kontrolluntersuchungen der Kinder durch - wenn die Kinder nicht krank sind, ist sie befugt, die Entwicklung überprüfen, und kann auch einige Medikamente - z.B. Paracetamol - oder Vitamine, verschreiben. Es war interessant zu sehen, wie sie ihre Kontrollen strukturiert; im Vergleich zu den Kontrollen, die ich vorher beobachtet hatte, nahm sie sich mehr Zeit, um den Entwicklungsstand der Kinder zu überprüfen, teils mit einfachen Spielen oder ähnlichem, und legte auch immer sehr viel Wert darauf, ausführlich mit den Eltern zu besprechen, wie eine adäquate Ernährung für das jeweilige Alter aussehen könnte.
Am Mittwoch führte die Doctora wieder die Untersuchungen durch; außerdem kam der Zahnarzt aus Barra de Santiago zu seinem monatlichen Besuch in der Unidad, und ich konnte ihn schlussendlich auch noch kennenlernen, was mich sehr freute. Es kamen sehr viele Patient:innen zu Consultas, daher schaffte ich es leider nicht, bei einer seiner Behandlungen zuzusehen, aber wir unterhielten uns später noch eine Weile - beim Essen der Pupusas, die die Mitarbeiterinnen des Centro de Nutrición extra für uns gemacht hatten. In Barra de Santiago geht er auch an die Schulen, um dort Karies- und Zahnputzunterricht zu machen - sehr schade, dass El Zapote nur dadurch, dass es keine eigene, permanente zahnärztliche Betreuung hat, bei solchen staatlichen Programmen eher mal "vergessen" wird.

Und so kam auch schon mein letzter Tag an der Unidad – ich hatte mich im Laufe der Woche bereits in verschiedenen Unternehmungen von den unterschiedlichen Gruppen verabschiedet, was gut war, denn wir waren am Donnerstag nur zu viert in der Unidad (durch Covid, andere Erkrankungen, Termine, Impfungen etc. waren während meines Aufenthalts eigentlich quasi nie alle Mitarbeiter:innen vor Ort), sodass doch alle viel zu tun hatten – wir kamen aber zum Glück trotzdem noch dazu, gemeinsam Kuchen zu essen, und ich konnte mich verabschieden, und mich für die tolle Zeit bedanken, bevor mein Transport kam, um mich nach El Tunco zu fahren, wo ich meinen letzten Abend verbrachte.
Die Zeit in El Salvador verging doch viel, viel schneller als gedacht, und auch wenn ich eigentlich immer beschäftigt war, hatte ich das Gefühl, bei manchen Projekten gerade erst anfangen zu können, z.B. bei der Chronikergruppe - aber glücklicherweise geht es ja bald schon mit Hannah’s Aufenthalt in El Zapote weiter 🙂
Die letzten fünf Wochen waren wirklich eine tolle Erfahrung, und ich bin allen unglaublich dankbar, die es mir ermöglicht haben, an diesem Programm teilzunehmen, und natürlich vor allem auch all den wundervollen Menschen in El Salvador, die meine Zeit dort so interessant und schön gemacht haben.

